Eine wahre Geschichte über den Herrn Müller:

Das hier, das ist der Herr Müller. Der Herr
Müller kommt aus Aretsried, das liegt in
Bayern, also ganz im Süden. Der Herr Müller
ist ein Unternehmer. Und das, was in den
Fabriken von Herrn Müller hergestellt wird,
habt ihr sicher alle schon mal gesehen, wenn
ihr im Supermarkt wart. Der Herr Müller
stellt nämlich lauter Sachen her, die aus
Milch gemacht werden. Na ja, eigentlich
stellen die Kühe die Milch her, aber der Herr
Müller verpackt sie schön und sorgt dafür,
dass sie in den Supermarkt kommen, wo ihr sie
dann kaufen könnt.

Die Sachen, die der Herr Müller herstellt
sind so gut, dass sogar der Herr Bohlen dafür
Werbung gemacht hat. Weil der Herr Müller ein
Unternehmer ist, hat er sich gedacht, er
unternimmt mal was und baut eine neue Fabrik.
Und zwar baut er sie in Sachsen, das ist ganz
im Osten. Eigentlich braucht niemand eine
neue Milchfabrik, weil es schon viel zu viele
davon gibt, und diese viel zu viele
Milchprodukte produzieren, aber der Herr
Müller hat sie trotzdem gebaut. Und weil die
Leute in Sachsen ganz arm sind und keine
Arbeitsplätze haben, unterstützt der Staat
den Bau neuer Fabriken mit Geld.

Arbeitsplätze hat man nämlich im Gegensatz zu
Milchprodukten nie genug. Also hat der Herr
Müller einen Antrag ausgefüllt, ihn zur Post
gebracht und abgeschickt. Ein paar Tage
später haben ihm dann das Land Sachsen und
die Herren von der Europäischen Union in
Brüssel einen Scheck über 70 Millionen Euro
geschickt. 70 Millionen, das ist eine Zahl
mit sieben Nullen, so ganz viel Geld. Viel
mehr, als in euer Sparschwein passt.

Der Herr Müller hat also seine neue Fabrik
gebaut und 158 Leute eingestellt. Hurra, Herr
Müller! Nachdem die neue Fabrik von Herrn
Müller nun ganz viele Milchprodukte
hergestellt hat, hat er gemerkt, dass er sie
gar nicht verkaufen kann, denn es gibt ja
viel zu viele Fabriken und Milchprodukte.

Na ja, eigentlich hat er das schon vorher
gewusst, auch die Herren vom Land Sachsen und
der Europäischen Union haben das gewusst, es
ist nämlich kein Geheimnis. Das Geld haben
sie ihm trotzdem gegeben. Ist ja nicht ihr
Geld, sondern eures. Klingt komisch, ist aber
so.

Also was hat er gemacht, der Herr Müller?

In Niedersachsen, das ist ziemlich weit im
Norden, hat der Herr Müller auch eine Fabrik.
Die steht da schon seit 85 Jahren und
irgendwann hatte der Herr Müller sie gekauft.
Weil er jetzt die schöne neue Fabrik in
Sachsen hatte, hat der Herr Müller die alte
Fabrik in Niedersachsen nicht mehr gebraucht,
er hat sie geschlossen und 175 Menschen haben
ihre Arbeit verloren.

Wenn ihr in der Schule gut aufgepasst habt,
dann habt ihr sicher schon gemerkt, dass der
Herr Müller 17 Arbeitsplätze weniger
geschaffen hat, als er abgebaut hat. Dafür
hat er 70 Millionen (70.000.000 !) Euro
bekommen.

Wenn ihr jetzt die 70 Millionen durch 17
teilt, dafür könnt ihr ruhig einen
Taschenrechner nehmen, dann wisst ihr, dass
der Herr Müller für jeden vernichteten
Arbeitsplatz über 4 Millionen (4.000.000
!)Euro bekommen hat. Ein Hartz IV Empfänger,
von denen es dank Herrn Müller bald mehr
gibt, bekommt im Monat 345 €.

Da lacht er, der Herr Müller - natürlich nur,
wenn niemand hinsieht. Ansonsten guckt er
ganz traurig und erzählt jedem, wie schlecht
es ihm geht. Aber der Herr Müller sitzt nicht
nur rum, sondern er sorgt auch dafür, dass es
ihm besser geht. Er ist nämlich sparsam, der
Herr Müller:

Sicher kennt ihr die Becher, in denen früher
die Milch von Herrn Müller verkauft wurde.
Die schmeckt gut und es passten 500 ml rein,
das ist ein halber Liter. Seit einiger Zeit
verkauft der Herr Müller seine Milch aber in
lustigen Flaschen, nicht mehr in Bechern. Die
sind praktisch, weil man sie wieder
verschließen kann und sehen hübsch aus.
Allerdings sind nur noch 400 ml drin, sie
kosten aber dasselbe. Da spart er was, der
Herr Müller.

Und sparen ist eine Tugend, das wissen wir
alle. Wenn ihr jetzt fragt, warum solche
Leute wie der Herr Müller nicht eine
Narrenkappe aufgesetzt bekommen, geteert und
gefedert durch ganz Deutschland gejagt
werden, dann muss ich euch sagen,
dass man so etwas einfach nicht tut. Wenn ihr
aber das nächste Mal im Supermarkt seid, dann
lasst doch einfach die Sachen vom Herrn
Müller im Regal stehen und kauft die Sachen,
die daneben stehen. Die schmecken genauso
gut, sind meistens billiger und werden
vielleicht von einem Unternehmer hergestellt,
für den der Begriff „soziale Verantwortung“
noch eine Bedeutung hat.

Ach übrigens, da fällt mir ja ein, der Herr
Müller will auch Erbschaftsteuer sparen und
hat daher beschlossen, seinen Wohnsitz nach
Österreich zu verlegen.